Vom Kuckuck

Unter unseren gefiederten Freunden ist wohl keiner zu finden, mit dem sich von alters her so viel beschäftigt wird, wie mit dem Kuckuck. Er wird gepriesen und auch beschimpft.

Viele Lieder singen von ihm. „Wer ist der Vogel in dem Wald, des Ruf in schönster Zeit so lieblich uns entgegenhallt und jung und alt erfreut? Der Name fällt gewiß dir ein, hörst du den lust’gen Vogel schrein: Kuckuck, la, la! Kuckuck, la, la, Kuckuck, la, la! Oder: Der Kuckuck und der Esel. Desgleichen: Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald.
Schon das Altertum erwähnt den scheuen und sonderbaren Vogel. Plinius, Horaz, Plautus und besonders Hesiod berichten über ihn und seine Beziehungen zu den Göttern und Menschen. Der griechische Mythos läßt Zeus sich in einen Kuckuck verwandeln und in dieser Gestalt unter Sturm und Regenschauer sich in den Schoß der Hera flüchten, die den geängstigten Vogel aufnimmt und sich dem Gotte vermählt. Als Göttin der Familie und Beschützerin der Ehe und der Geburten wurde Hera häufig mit dem auf ihrem Zepter sitzenden Kuckuck dargestellt.
Bei den Römern stand der Kuckuck in keinem hohen Ansehen. Da ihnen schon bekannt war, daß er als sogenannter Brutschmarotzer seine Eier in fremde Nester legt und sich hernach nicht im geringsten um die junge Brut kümmert, galt er ihnen als das Sinnbild eines pflichtvergessenen Familienvaters und sein Name cuculus wurde zum Schimpfwort. Cuculus! Rief man den trägen Landleuten zu, die mit den Frühlingsarbeiten bis zum Kuckucksrufe, das ist bis nach der Frühlings???se, warteten.
Wie uns schon die angeführten Lieder verkünden, schätzen wir den Kuckuck als einen willkommenen Frühlingsboten, der uns nach langen, kalten und dunklen Wintertagen das Nahen des Frühlings verheißt.
In der Regel kommt der Kuckuck als Frühlingsansager Mitte bis Ende April zu uns und zwar aus Afrika und Südasien. Am 18. Kommt er, am 19. Muß er kommen, heißt es im Volksmund. Aber das stimmt nicht immer. Er ist mit dem Zeitpunkt seiner Ankunft ebenso unzuverlässig als mit seinen sonstigen Prophezeiungen.
Nur selten werden wir, wenn wir durch Feld und Wald streichen, seiner ansichtig. Um so vertrauter ist uns sein zweisilbiger Ruf, den er meistens mehrere Male hintereinander zu wiederholen pflegt, oft bis zu zwanzig mal und darüber. Ertönt sein Ruf einmal ganz in unserer Nähe, so daß wir glauben, den scheuen Vogel nunmehr bestimmt zu Gesicht zu bekommen, dann irren wir uns, denn schon im nächsten Augenblick hören wir das „Kuckuck“ in beträchtlicher Ferne von uns aufs neue erklingen. Die Kinder ahmen dieses Versteckspiel des Vogels nach, indem sie beim Spiel den Sucher mit dem Kuckucksruf irre zu führen suchen.
Ein weit verbreiteter Aberglaube will wissen, daß wer beim ersten Ruf des Kuckucks Geld im Beutel bei sich hat, das ganze Jahr über keinen Mangel daran haben wird, und umgekehrt, leere Tasche beim ersten Kuckucksruf – leerer Beutel das ganze Jahr.
Bei den alten Germanen war der Kuckuck ursprünglich ein dem Donar geheiligter Vogel. Bei den Wenden war er der Bote und Verkünder des Lebens und Familiengöttin Siwa. Durch den Einfluß des Christentums wurde er zum Unglücksvogel, ja man stempelte ihn zum teuflischen Tier. Auf dem Speer des 712 zur Herrschaft gelangten Langobardenkönigs Luitprand setzte sich bei seiner Königswahl ein Kuckuck. Das schien ein böses Omen zu sein. Man glaubte, seine Regierung werde nicht lange währen und dem Lande keinen Segen bringen. Der Kuckuck hatte sich aber geirrt. Luitprands Herrscherzeit dauerte bis in sein hohes Alter, und er führte das durch Kriege erschütterte Langobardenreich auf eine bislang unerreichte Stufe.
Auch als Prophet und Lebenskünder bewährt sich der Kuckuck nicht. Er soll auf Befragen die Zahl der Jahre nennen können, die uns noch beschieden sind auf Erden und den jungen Mädchen desgleichen, wann der Freier sich für sie einstellt. Darum die Fragen beim ersten Kuckucksruf im Frühjahr: „Kuckuck in Häwen, wo lang sall ick noch läwen?“ Und „Kuckuck in ne Eiken, wie lang sall ick min Brutlaken noch bleiken?“

Hierhin gehört auch die Redensart, wenn man mit seinem eigenen Wissen zu Ende ist: „Das weiß der Kuckuck!“
Als böses Vorzeichen wird auch gedeutet, wenn der sonst so scheue Vogel auf dem Dache eines Hauses niederläßt, was außerordentlich selten vorkommt. Unglücksfälle oder gar der Tod wird die Bewohner alsbald heimsuchen. Wenn der Kuckuck lange nach Johannistag (24. Juni) schreit, gibt es Mißernten und teure Zeiten.
Wegen dieser Täuschungen und Untugenden gegen seine Nachkommen gaben ihm die Dichter des Mittelalters den wenig schmeichelhaften Namen „Gauch“, der soviel wie Spötter, Geck, Narr, Trottel bedeutet. Deshalb bringt man ihm im Volksglauben sogar mit dem Teufel, dem Vater der Lüge, in Verbindung, ja identifiziert ihn mit Diesem. Ausrufe und Redensarten wie: „Hol dich der Kuckuck!“, „Geh zum Kuckuck!“, „Taun‘ Kuckuck“, „Plagt di dei Kuckuck?“ u. a. sind nichts anderes als beschönigende, mildernde Redewendungen an die Adresse des Teufels.
Schließlich sei noch einiger sprichwörtlicher Redensarten Erwähnung getan, die den Kuckuck mit dem Siebengestirn in Beziehung setzen. „Dei staht sick entjeigen as Kukuk un Säbenstirn.“, „Hei und dei Wohrheit kieken sick an, as Kukuk un Säbenstirn.“, „Dei Utführung is von dei Hoffnung ürrer von dat Geschrihe sowit aff, as die Kukuk vont‘ Säbenstirn.“

Da das Siebengestirn im Frühling und im Sommer, also während der Kuckuckszeit bei uns, am Nachthimmel nicht sichtbar ist, können sich nach dem Volksglauben Kuckuck und Siebengestirn nicht sehen und vertragen.


Hiervon nachfolgendes Gedicht:

„Wat dei Kuckuck röppt!“

„Kuckuck in‘ Häwen,
wo lang sall ick noch läwen?“
So röppt in dat Holt die frische Jung,
as’t „Kukuk! Kukuk!“ den Busch dörchklung.

Un dun ist‘ still, ganz liesing einmal
Röppt dei Kukuk noch von den Bom hendal.
„Ach, Kukuk, Kukuk, dat is nich wohr,
ick will jo läben noch achtzig Johr!“

 „Kukuk in Häwen,
wo lang sall ick noch läwen?“
So sützt in sin Elend dei olle Mann.
„Wat sall mi dat Läwen, wenn’k nichts mehr kann?“

Un „Kukuk! Kukuk!“ röppt ümmertau,
dat klingt so spöttsch un so schadenfroh.
„ Ach, twintig Johr noch in Elend un Not?
Un Kukuk: mi halt bald die Dot!“

„Kukuk in Häwen,
wo lang sall ick noch läwen?“ –
As Kuckuck räup, so is dat kommen.
Den‘ Jung’n hett bald de Dod mitnahmen.

Den ollen Mann güng hei vörbi:
Din Tied kümmt ok, denn hal ick di.“
Die Dod, dei kümmt, wenn hüt hei ok slöppt. –
Wer weit, wo lang’n nun dei Kuckuck röppt!

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