Vom Postwesen

In meiner Kindheit bewunderte ich oft den gelben Postwagen, wenn er durch die holperigen Straßen unseres Städtchens holperte und von zwei behäbigen Rossen, die der Postillon lenkte, nach dem Posthofe gezogen wurde. Aber es gefiel mir nicht, daß der Postfahrer kein Posthorn hatte und kein lustiges Stückchen blies, wie es der Großvater mir aus früheren Zeiten erzählte. Doch hörte ich später das Posthorn noch öfter erklingen.

In den Jahren 1893/94 lebte ich in Hagenow-Heide. Mein Verwandter verwaltete hier die Poststelle. Morgens kam die Postkutsche von Hagenow-Land vorbei, lieferte etwaige Postsendungen ab und nahm aufgegebene mit oder fuhr weiter über Kuhstorf-Eichhof nach Redefin. Jedesmal kündete der Postillion in seiner blauen Uniform mit den roten Aufschlägen und dem schwarzen ? Zylinder das Nahen der Post durch ein schmetterndes Hornsignal an. War er guter Laune und das Wetter danach, blies er im Weiterfahren auch wohl noch ein lustiges Stückchen. Bei kaltem und regnerischem Wetter konnte man seinen Verdruß aus dem jämmerlich gequält hervordringenden Tönen hören. Der Volksmund übersetzte das mit: „Oh, du lieber Gott, es ist so kalt, schon fällt der Schnee, und doch muß ich fort auf die Chaussee!“ Meinte der Winter es gar zu arg, knallte der Postknecht nur anhaltend mit der Peitsche und sagte entschuldigend: „? is dat tau kolt, ick kann die Tön nich richtig rutbringen. Wenn’t wedder warmer ward, blas ick wedder, dat öwert ganze Dörp schallt.“
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurde das „Postregal“, das Posthoheitsrecht, für das ganze deutsche Reich erblich dem Fürsten von Thurn und Taxis verliehen und damit die ersten ständigen Postverbindungen geschaffen. 1534 fuhr die erste Post von Wien über Dresden, Magdeburg, Havelberg, Perleberg und weiter durch Mecklenburg über Grabow, Schwerin, Gadebusch nach Lübeck. Die sogenannte preußische Post benutzte später die gleiche Route, bog aber von Perleberg nach Lenzen ab, fuhr über Kaliß, Lübtheen und Brahlstorf nach Boizenburg und weiter nach Hamburg. Diese Postverbindung hatte jahrhundertelang die größte Bedeutung. Lübtheen und Boizenburg waren die Hauptpostämter im südwestlichen Mecklenburg. Die Berlin-Hamburger Post hatte durchweg 4 bis 8 Beiwagen hinter sich, so daß es fast ein ganzer Postfahrzug war. Dazu kamen zahlreiche Eilpostreiter, damals Stafetten (Stafette = reitender Eilbote; R.R.) genannt, und mehrere Extrapostkutschen. Außerdem machte und wühlten sich wohl täglich zwischen 40 und 60 schwerbeladene Frachtwagen durch Heideland und Bruch, alle mit 4 bis 6 Pferden bespannt, denen trotzdem noch öfters Vorspann geleistet werden mußte. Für alle Postfahrzeuge standen in Lenzen, Kaliß, Lübtheen und Boizenburg die benötigten Postpferde bereit, in Lübtheen und Boizenburg z.B. ständig 50 bis 80 Stück. Dazu kamen für die Frachtfahrer viele Zugpferde von privaten Fuhrleuten. Als um 1826 die Chausseeverbindung zwischen Berlin und Hamburg fertig war, verlor der alte, sandige Postweg von Lenzen über Kaliß, Woosmer-Mühle, Vielank, Benz, Jessenitz, Lübtheen, Brahlstorf seine Bedeutung und vereinsamte. Die neue Chaussee führte über Grabow, Ludwigslust, Redefin, Prizier, Brahlstorf, Boizenburg und erreichte bei Lauenburg das lauenburgische Gebiet, damals zu Dänemark gehörig. Für die damalige Zeit spielte sich der Verkehr auf der neuen Chaussee nach Berichten in einem fast riesenhaften Umfang ab, bis 1846 die Eisenbahnverbindung zwischen den beiden größten Städten Deutschlands in Betrieb trat., trotzdem die Elbe die meisten und größten Frachten von Hamburg bis Dresden beförderte. Die Eisenbahn übernahm dann den gesamten Reiseverkehr und den Transport vieler Frachtgüter. Dadurch verödete zunächst der alte Postweg völlig und auch die Chaussee verlor ihre Bedeutung für den Transitverkehr, bis die heutige Zeit mit ihren Personen- und Frachtautos ihn in neuer Blüte aufleben ließ.

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